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Erhaltet das Baudenkmal

Am 5. Juli entscheidet sich das weitere Schicksal des Mozart Gymnasiums

Denkmal und Identität

Die Würzburger Mozartschule ist eine der herausragenden Architektenleistungen des Wiederaufbaus unserer Stadt und gilt bayernweit als vorbildliches Beispiel für den damaligen Schulhausbau. Entworfen hat “Würzburgs schönste Schule” (Mainpost vom 01.10.1957) der damalige Baudirektor des städtischen Hochbauamts Rudolf Schlick in den Jahren 1955-57. Sie wurde 1995 in die Denkmalliste des Landes Bayern eingetragen. Seit dem Auszug der Schüler und Lehrer 2001 wurde die Schule an verschiedene Interims-Nutzer vermietet. Ihr derzeit ungepflegter
Zustand verstellt den Blick auf die außergewöhnlichen Qualitäten des Gebäudes. Ein Abriss würde einen erheblichen Geschichtsund Gesichtsverlust für die Stadt Würzburg bedeuten, deren weitgehend gelungener, maßstabgerechter Wiederaufbau bis heute für viele Bürgerinnen und Bürger wie auch für die zahlreichen Gäste Identität stiftet und Unverkennbarkeit erzeugt.

Organisch – Grazil – Schwungvoll

In direkter Nachbarschaft des Weltkulturerbes Residenz fügt sich der Schulbau organisch und zwanglos, ja sogar heiter in sein städtebauliches Umfeld ein. Der vom Blockrand gelöste Grundriß wirkt leicht und vermeidet starre rechte Winkel. Zur Hofstraße öffnet sich eine niedrige Dreiflügelanlage – eine bewusste Hommage an den Ehrenhof der Residenz – während an der Maxstraße die Fassade zurückschwingt, um sich mit den beiden anderen Schulflügeln windmühlenartig zu verbinden. Der höhengestaffelte Baukörper ist von großer Sachlichkeit und Klarheit. Das konstruktive System ist ein Stahlbetonbau, dessen Stützenraster deutlich in Erscheinung tritt. Maßstabgebend und von einheitlicher Größe sind die Fenster, deren Rahmen mit ihren grazilen Profilen Lebendigkeit im Wechselspiel von Licht und Schatten erzeugen. Der Architekt Rudolf Schlick legte grundsätzlich große Sorgfalt auf alle Details, auf die Kunst am Bau und die Blickbeziehungen zu den historischen Denkmälern.

Vielseitige Kunst am Bau

Die drei Schulflügel sind durch ein einziges großzügiges Treppenhaus miteinander verbunden. Es ist nicht nur in seiner einfachen Grundform architektonisch überzeugend, es birgt auch ein gebäudebeherrschendes Wandbild: Den vierteiligen Zyklus “Die Schöpfung” von Ludwig Martin. Auf lebendig schattiertem blauem Grund entwickelt sich das schwungvoll gemalte Wandbild durch alle Geschosse. Im Schulhaus gibt es zahlreiche weitere Beispiele für Kunst am Bau, u.a. das repräsentative “Abendland”-Bild im Aulavorraum, die von vier Graphikern gestalteten “Landkarten” im Haupttreppenhaus und die gänzlich unbekannten farbigen Glasfenster im Kellerflur. Im Außenbereich seien die allseits bekannte Putzintarsie der spielenden Mädchen an der Hofstraße ebenso wie das “Mädchen mit Trinkschale” an der Maxstraße genannt. Diese vielseitigen und qualitätvollen Werke sollten Schüler und Lehrer zum Nachdenken anregen und sind bis heute integraler Bestandteil der Architektur.

Unterm Sternenhimmel

Herzstück an der Hofstraße ist die Aula über dem trapezförmigem Grundriss. Mit ihren 290 Sitzplätzen eignet sie sich auch heute hervorragend für öffentliche Theater- und Kinovorführungen, Konzerte, Lesungen, Vorträge. Eine schwingende Treppe führt zur Aula hinauf, deren Leichtigkeit und Ausgewogenheit uns auch nach Jahrzehnten noch anspricht. Der harmonisch proportionierte, lichtdurchflutete Saalraum, der schon in den Plänen von 1955 als “Film- und Feierraum” bezeichnet wurde, erinnert mit seiner sternenhimmelähnlichen Decke, der umlaufenden Blende und der von roten Vorhängen gerahmten Bühne an die Kinokultur der 50er Jahre. Er ist damit letztes Zeugnis einer inzwischen in Würzburg völlig verloren gegangenen Kultur.

Erhaltet das Baudenkmal

Schon 2007 hat der Würzburger Stadtrat einstimmig für den Abriss des Bedeutenden Denkmals der 50er Jahre votiert. Das jetzt formulierte Ratsbegehren stellt das gesamte Denkmal mit seinen Freiräumen zur Disposition und will die Bürger über den geplanten Totalabriss zugunsten einer Investoren-Bebauung entscheiden lassen. Die Heiner-Reitberger-Stiftung und die BI Stadtbild Würzburg sagen entschieden Nein zu dem wohl auch juristisch heiklen Abriss eines stadtbildprägenden Denkmals. Stattdessen gilt es, dieses herausragende Beispiel der Würzburger Nachkriegsarchitektur in seiner Gesamtheit zu bewahren und einer sinnvollen und denkmalgerechten neuen Nutzung zuzuführen.

Hatzfeldischer Garten

Wenigen ist bewusst, dass Rudolf Schlick bei der Erbauung der Mozartschule 1955-57 nicht nur die Kunst am Bau bereits in der Planung festlegte, sondern sich auch über die Bepflanzung detailliert Gedanken machte. Drei wesentliche Bereiche müssen wir unterscheiden: den sog. Hatzfeldischen Garten, den großen Pausenhof und den Haupteingang an der Maxstraße. Der vierte Bereich, der Nordgarten, kam anscheinend erst nach dem Anbau von 1968 dazu. Der Hatzfeldische Garten, eine Partie des mittelalterlichen Zwingers, wurde mit einem strengen Lindenkarree aus 5 x 5 Linden bepflanzt. Die rechteckige Mitte war durch ein Parterre mit Blumen bepflanzt. Diese Anlage korrespondiert mit der gegenüberliegenden Residenz, nimmt die strengen geometrischen Formen barocker Gartenplanung auf. Sie vermittelt zwischen dem Barock und der Wiederaufbauzeit.

Futtermauer

Eine großzügige Freitreppe mit Blockstufen aus Muschelkalk verbindet den eigentlichen Pausenhof mit dem Gartenparterre. Auf dem Bild ist sie noch ohne Geländer. An den Futtermauern sind Maskarons eingebaut, die als Spolien aus dem zerstörten Würzburg an die barocke Vergangenheit erinnern. Heute fehlt der rechte Fratzenkopf, er wurde mit dem Erweiterungsbau der Musikhochschule entfernt. Die gesamte Gartenanlage ist ungepflegt und überwuchert und ihre Schönheit ist kaum mehr zu erahnen. In diesen zwei Bildern ist auch gut zu erkennen, wie der Architekt R. Schlick die Sichtbeziehungen zur Residenz und zur Hochsäule bewusst in Szene gesetzt hat. Solche Ausblicke, auch zum Dom, zur Neubaukirche oder zu Stift Haug waren ursprünglich auch in den Innenräumen wahrnehmbar.

Der große Pausenhof

Einen ganz anderer Geist als in der strengen Geometrie des Hatzfeldischen Gartens weht im großen Pausenhof. Hier spürt man die Aufbruchsstimmung des Wiederaufbaus: geschwungene Beeteinfassungen schaffen einer Linde Entfaltungsmöglichkeiten. Einbezogen ist hier auch die Skulptur von Helmut Weber, ein Mädchen, dem der Engel oder Geist einflüstert. Lebendig bewegte Formen dominieren. Die große Pappel im Hintergrund wurde längst gefällt, aber die Linde steht noch. In den 80er Jahren wurde der Hof mit Robinien als Schattenspender für Klassenzimmer und Hof bepflanzt, sie bestimmen heute den Charakter des großen Pausenhofs. Als duftender, von Vogelgezwitscher erfüllter Schirm breiten sie ihre Zweige aus. Hatzfeldischer Garten und Pausenhof sind heute Oasen von Ruhe und Abgeschiedenheit mitten in der Stadt.

Haupteingang der Schule an der Maxstraße

Der Haupteingang ist aus der Straßenfront zurückversetzt, es entsteht Abstand zur Straße und ein Raum zum Verweilen. Reitberger nannte diesen Platz treffend “Flöhglacile” (das kleine Glacis). Rudolf Schlick plante hier in freien organischen Formen ein Wasserbecken mit einer Mädchenfigur. Blumen schmückten die nierenförmige Einfassung des Beckens. Zwei Säuleneichen und Eibenhecken flankieren den gläsernen Eingang. Große Lindenbäume wachsen auf dem Platz
und spenden Schatten. Heute ist diese Grünanlage völlig verwildert. Das Wasserbecken ist verschwunden, dem steinernen Mädchen sind Hände und Schale abgeschlagen.

Faulhaberplatz und nördlicher Pausenhof

In dieser Aufnahme ist der grüne Faulhaber-Parkplatz mit der Mozartschule noch ohne Erweiterungsanbau zu sehen. Das Grün des Platzes verbindet sich mit den Grünanlagen in der Maxstraße. Schön auch der freie Blick zur Residenz. Offensichtlich wurde der Nordhof erst nach dem Anbau von 1968 gärtnerisch gestaltet. Heute ist er mit großer Baumhasel- und Ahornbäumen bepflanzt. Im Mozartareal tragen 36 Bäume und viele Büsche erheblich zur Verbesserung des Kleinklimas und zur Verringerung der Feinstaubbelastung bei. Sie zugunsten einer massiven Neubebauung zu opfern, ist nicht nachhaltig gedacht.

Treppengeländer

Die Mozartschule birgt weitgehend unbeachtete Details. Die geschwungene Treppe zur ehemaligen Aula, dem heutigen Kinosaal, zeigt in ihren Geländern typische 50er Jahre-Formen, reduziert, zart, filigran wirkend. Besonders typisch ist der Anlauf mit schneckenförmigem Beginn und Kunststoffbeschichtung auf dem Handlauf. Das zierliche Geländer ist mit einem Stiel in einer Rosette verankert und von einer Öse geschmückt. Ein zweiter Handlauf findet sich im Treppenhaus neben der ehemaligen Hausmeisterwohnung: Auch hier ist der Übergang von der Schrägen zur Horizontalen mit Profilen und Kugelaufsatz besonders ausgebildet.

Lampen

Im Innen- und Außenbereich der Schule gibt es noch zahllose Lampenserien der 50er Jahre. Sie zeigen vielseitiges Design: Von der zylindrischen Laterne bis zum konischen Kasten, von der weich gebauchten Hängeleuchte bis zum doppelten Konus. Bemerkenswert ist die Lampenform am Eingang Hofstraße mit ihrer eleganten Halterung am unteren Ende des konisch gerundeten Leuchtkörpers. Von besonderer Eleganz sind die weitgehend bekannten “Sternenhimmel” in Aula und Foyer mit ihren bündig eingesetzten Rundscheiben. Ihre Leuchten lassen sich dimmen und vermitteln unterschiedliche Raumstimmungen.

Metallarbeiten

Neben zeitgenössischem industriellen Design wie den Kleiderhaken oder den Griffen an den Schwingtüren finden sich in der Mozartschule auch vom Architekten entworfene Details, so etwa die Beeteinfassung an der Maxstraße mit ihren schlichten durchgesteckten Metallverbindungen. Noch pfiffiger sind die Details der Fenstergitter im großen Haupttreppenhaus: Die filigranen Gitter sind mit Metallstiften in je zwei seitlich montierte Kugeln mit Nuten eingehängt. Durch Anheben ist ein leichtes Entfernen für die Fensterreinigung möglich. Auch als Abstandshalter sind spielerisch wirkende Kugeln an den Fenstergittern verwendet.

Stein und Holzarbeiten

Selbstverständlich sind auch die Bodenbeläge Teil des Gesamtkonzeptes. Das Foyer an der Hofstraße ist mit gebrochenen verschiedenfarbigen Werksteinen ausgestaltet, die sich ins Freie hineinziehen. Durch diese fließenden Übergänge entsteht Großzügigkeit. Auch die farbigen Terrazzoböden in gebrochenem Rot, hellem Gelb und kühlem Grau verdienen Beachtung. Sie korrespondieren farblich mit dem Foyerboden. Eine Besonderheit sind auch die exakt gefugten, noch immer unbeschädigten Fliesenbeläge in den Toiletten. Natürlich spricht auch die teilweise noch vorhandene Möblierung mit konisch-eleganten Formen eine stilistisch einheitliche Sprache.

Neues Design in Hülle und Fülle

Alle Details zeugen von der Sorgfalt des Entwurfs und der handwerklichen Präzision der Ausführenden in der Wiederaufbauzeit der fünfziger Jahre. Überzeugend und zugleich faszinierend ist die konsequente durchgängige Formensprache. Sie vermittelt uns einen zukunftsorientierten Optimismus, der zugleich an die Ziele der klassischen Moderne der 20er Jahre anknüpft. Die vielen originalen Details verleihen dem Baudenkmal hohe Authentizität und sind unbedingt erhaltenswert.

Autoren dieser Artikel: Dr. Suse Schmuck / Dr. Antje Hansen